Dankbarkeit

Ein Gastbeitrag von Notker Wolf OSB Ehemaliger Abtprimas der Benediktiner

Abtprimas em. Notker Wolf OSB

Dankbarkeit sollte die Grundstimmung meines Lebens sein. Vielleicht erfahren wir in den Corona-Zeiten ganz besonders, dass unser Leben ein Geschenk ist. Wir haben es von Gott erhalten, um es zu gestalten, um während unseres Lebens zu wachsen und zu reifen. Wir können etwas aus unserem Leben „machen“. Wir haben unglaubliche Möglichkeiten. Mit einem solchen Geschenk gehen wir pfleglich um.

Jeder Mensch hat seine Begabungen und Anlagen mitbekommen, ganz unterschiedliche, und das macht es aus. Wir sind nicht für uns allein geboren, sondern für einander. In der Gemeinschaft erfahren wir die bunte Vielfalt der Charaktere. Die einen stören sich daran, dass andere Menschen so anders sind und würden sie gern gemäß ihren Vorstellungen ändern. Aber dann wären wir alle gleichgeschaltet, das wäre furchtbar langweilig. Die Vielfalt der Charaktere und Begabungen, auch der Sprachen und Kulturen, macht unseren menschlichen Reichtum aus. Das ist auch die Herausforderung zur Toleranz. Nicht nur wir wollen beachtet sein, auch die andern.

Der heilige Benedikt schreibt in seiner Regel: „Die Brüder sollen einander in gegenseitiger Achtung zuvorkommen; ihre körperlichen und charakterlichen Schwächen sollen sie mit unerschöpflicher Geduld ertragen“ (Benediktsregel 72,4-5). Das Ja zum andern macht es aus. Denn auch er ist ein Geschenk.

Doch es gibt ein noch wichtigeren Grund, dankbar zu sein. Gott liebt uns so wie wir sind. In Jesus hat er uns gezeigt, wie sehr er selbst die Sünder liebt. So dürfen auch wir darauf hoffen, von Gott angenommen zu sein. Er sagt Ja zu uns, er sagt Ja zu den andern Menschen. Wir dürfen Ja sagen zu uns selbst, Ja zu den andern. Wir befinden uns in der großen Familie Gottes.

Es gibt auch viel Leid auf dieser Erde. Gott selbst ist Mensch geworden, nicht um das Leid von uns wegzunehmen, sondern es mit uns zu tragen und den Stachel des Todes zu brechen. Es wird der Tag kommen, an dem es keine Träne und kein Leid mehr gibt. Das hat uns Gott verheißen, das ist der Grund unserer Hoffnung. Ein Grund mehr, in vollem Sinne dankbar zu sein. Und wer dankbar ist, wird ein froher Mensch.

Kurzporträt Abtprimas em. Notker Wolf OSB

Notker Wolf wurde am 21. Juni 1940 in Bad Grönenbach (Allgäu) geboren. Nach dem Abitur 1961 trat er in den Orden der Missionsbenediktiner in Sankt Ottilien ein. In Rom und München studierte er Philosophie, Theologie, Zoologie, Anorganische Chemie und Astronomiegeschichte und promovierte zum Doktor der Philosophie. 1968 wurde er zum Priester geweiht. 1971 erhielt er eine Professur für Naturphilo- sophie und Wissenschaftstheorie an der Päpstlichen Hochschule Sant'Anselmo in Rom. Am 1. Oktober 1977 wurde mit 37 Jahren zum fünften Erzabt der Erzabtei St. Ottilien gewählt. Es war es ihm wichtig, den harten Drill und die Überwachung zu überwinden, um ein angstfreies Kloster zu schaffen. 2000 wurde er zum neunten Abtprimas und damit zum obersten Repräsentanten der Benediktiner gewählt. Er war bis zum Ende seiner Amtszeit im Jahre 2016 weltweiter Sprecher des ältesten Ordens der Christenheit mit 7.500 Mönchen und 16.500 Nonnen und Schwestern in mehr als 800 Klöstern und Abteien. Der Wechsel nach Rom als oberster Benediktiner führte ihn ins Kloster Sant'Anselmo. Von dort reiste er jährlich 300.000 Kilometer um die Welt, um Mitbrüder zu besuchen. Selbst vor Nordkorea und China machte er nicht Halt. In beiden Ländern gelang es ihm, Krankenhäuser zu errichten. Unter ihm entstanden Neugründungen auf den Philippinen, in Indien, Uganda und Togo. Im Oktober 2016 kehrte er von Rom nach St. Ottilien zurück. Mehrere Sprachen spricht Wolf fließend, und die wollte er nach seiner Rückkehr ins Heimatkloster weiter vertiefen. Doch nach wie vor ist er ein gerngesehener Gast bei Vorträgen und Talkrunden. Den von der katholischen Kirche in Deutschland eingeschlagenen Synodalen Weg sieht er als richtig an. "Meines Erachtens müsste so ein Prozess die ganze Zeit laufen", findet der Ordensmann. Schon der heilige Benedikt empfehle den Mitbrüdern: "Tue nichts ohne Rat, dann brauchst Du hinterher nichts bereuen." Vor allem müsse den Jüngeren zugehört werden. Gott gebe oft ihnen ein, was das Bessere sei – aber manchmal auch einem Älteren.

Notker Wolf ist Autor zahlreicher geistlicher Bücher und tritt zudem als Musiker auf. Er spielt Geige, Querflöte und E-Gitarre. Vielseitigkeit zeichnet seine Person ebenso aus wie seinen Musikgeschmack. Er liebt Choräle aber auch laute Rockmusik. Songs von den Beatles seien ihm viel zu brav: „Es muss manchmal auch wirklich die Rebellion auf den Tisch kommen.“ Und so tritt er gelegentlich mit der Band Feedback auf und spielt neben Eigenkompositionen auch Coverversionen von Deep Purple, Led Zeppelin und Jethro Tull. Besonders stolz ist er auf einen gemeinsamen Auftritt mit Deep Purple im Jahr 2008. „Warum soll nicht auch ein Abt seine Freude am Leben haben“, sagt er. Notker Wolf ist auch einer der Initiatoren und Gründer (2011) der deutschsprachigen Gesangsgruppe „ Die Priester“, die moderne Popmusik mit klassischer Musik zu verbinden versucht.

Diesen Beitrag verdanken wir dem guten Kontakt unseres Gemeindemitgliedes Klaus-Peter Lokai zu Notker Wolf