Die Rettung

von Christel Naglatzki

Nur weg!

Es war im letzten Kriegsjahr, mitten in der Nacht vom 30. zum 31. Januar 1945. Wir hatten Frost, minus 29° Celsius. Der wochenlange Kanonendonner und die Blitze der Geschützfeuer der russischen Front hatten aufgehört. Es war ganz still. Deutsche Soldaten in weißen Schneeanzügen marschierten an unserem Haus vorbei. Mutter fragte sie, ob die Russen zurückgeschlagen wurden. „Frau, gehen sie in den Keller, hinter uns kommen die Russen!“, antwortete ein Soldat. Darauf gingen meine Mutter, meine bereits erwachsene Schwester Irene und ich auf die Straße, um zu Fuß zu flüchten. Es gab keine Fahrgelegenheit. Züge fuhren schon seit Monaten nicht mehr und alle Autos waren für den Kriegseinsatz beschlagnahmt worden. Da kam ein Nachbar, ein Postbeamter, aus seinem Haus. „Was machen Sie denn noch hier? Ich habe einen Marschbefehl, um mit dem Postwagen Wertpapier nach Westdeutschland zu bringen. Steigen Sie schnell ein!“ So wurden meine Mutter, meine Schwester und ich gerettet.

Das war das erste Wunder, das ich als kleines Mädchen bewusst erlebt habe.

Ich danke Gott noch heute dafür.